Die andere, die war ich.
Buch: Welch schöne Tiere wir sind | Serie: Palm Royale | Paid: Kolumne
Wofür hast du dich zuletzt geschämt?
Das wurde ich gestern in einem Podcast-Interview zu meinem Buch über weibliche Scham gefragt. Der Moment lag nur fünf Minuten zurück. „Dafür, dass meine Technik gerade nicht funktioniert hat“, sagte ich.
Aufgrund meiner bevorstehenden Veröffentlichung kann ich das Thema kaum beiseite schieben. Aber weil ich schon einmal über die Scham geschrieben habe, und zwar in der Reizwortgeschichte Sauna / falscher Bademantel / umarmen (selten so viele Nachrichten von euch bekommen wie nach dieser Kolumne!), fiel mir ein, dass es zu der Ankedote eine Vorgeschichte gibt. Und die erzähle ich euch heute.
Buch: Welch schöne Tiere wir sind – Lawrence Osborne
übersetzt von Stephan Kleiner
Diesen Backlist-Titel lese ich gerade ein zweites Mal. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen die superreiche Naomi und ihre Freundin Sam. Die Teenager verbringen die Tage auf der flirrend-heißen Insel Hydra damit, umher zu streifen – bis sie den syrischen Flüchtling Faoud entdecken. Sie nehmen sich ihm an und schmieden einen folgereichen Plan, in dem Faoud zum Spielball der gelangweilten Naomi wird, die ihrem Vater und seiner Frau eins auswischen will.
Eine atmosphärisch dichte und so beklemmende Geschichte, deren distanzierte Erzählweise eine Kühle schafft, die im Kontrast zur unbändigen Hitze Hydras steht.
Serie: Palm Royale (Apple TV+)
Die Story ist nicht neu: Die aus armen Verhältnissen stammende Maxine Simmons (so gut: Kristen Wiig) will bei den Reichen und Schönen mitspielen, also mischt sie sich unter sie – im Palm Royale, einem Luxus-Club im Florida der Swinging Sixties. Was folgt, sind skurrile Einblicke in obszönen Reichtum und wie strategisch sämtliche Freundschaften sind, damit eben dieser erhalten bleibt. Aber Maxine, die nichts anderes im Kopf hat, als sich ganz nach oben zu arbeiten, bringt das austarierte Kartenhaus ordentlich ins Schwanken.
Palm Royale macht unglaublich viel Spaß aufgrund der tollen Schauspieler*innen, der Farbexplosionen von Kostümen/Szenenbildern und der Detailverliebtheit des Drehbuchs, das nur selten ein paar Längen hat. Und dann wäre da noch Ricky Martin als Poolboy.
Folge 15: Die andere, die war ich.
Dies ist keine Geschichte, die auf wahren Fakten basiert und aus Gründen dramatischen Erzählens hier und da fiktionalisiert wurde. Dies ist eine wahre Geschichte, der nichts hinzugefügt werden muss. Alle Personen sind zu Schaden gekommen.
Als ich Anfang 20 war, gab es (abseits der Politik) weder den Begriff „red flag“ noch das passende Emoji dazu. Und selbst wenn, hätte ich mir wahrscheinlich einfach die Nägel rot lackiert, um mich meinem damaligen Freund J. zumindest optisch anzupassen. Stattdessen flog ich ihm nach Marrakesch hinterher, einen Tag vor meinem Geburtstag, damit er mich um Mitternacht darauf hinweisen konnte, kein Geschenk für mich zu haben, schließlich sei es ja unsicher, ob wir zusammenbleiben würden – und wenn’s nach ihm gehe, eher nicht.