Zeiten legen
Buch: Bright Young Women | Song: Dreams | Paid: Kolumne + Gewinnspiel: Schreibwerkstatt mit mir!
Leute, ich bin echt froh (und ihr könnt es auch sein), letzte Woche keine Kolumne geschrieben zu haben! Was sich in meinen diffusen Träumen als relevanter Stoff verkauft hat, konnte ich euch Gott sei Dank ersparen, weil ich ausnahmsweise auf meinen Verstand gehört habe und nicht auf meine stets verwirrten Emotionen.
Danke für eure lieben Genesungswünsche und das Verständnis für die verzögerte Ausgabe. Es war, wie so oft im Leben, schlechtes Timing, aber glücklicherweise gibt es ja auch gutes Timing, zum Beispiel, wenn ein Buch zur richtigen Zeit kommt:
Buch: Bright Young Women von Jessica Knoll
(Es wurde übrigens von Simon & Schuster verlegt und ich habe kurz staunen müssen, als ich vorletzte Woche in New York zufällig an dem Verlagsgebäude vorbeigelaufen bin.)
First things first: Diesen Roman gibt es noch nicht auf Deutsch, Knolls Vorgänger aber schon, weshalb ich schwer davon ausgehe, dass er übersetzt wird. Auch weil er bereits adaptiert wurde für Mini-Serie, yadda, yadda, ihr wisst ja, wie schnell das alles läuft in good old America.
Dieses Buch hat alle meine literarischen Highlights 2023 überholt und sich an die Spitze gesetzt: Fantastische Sprache, wahnsinnig greifbare Charaktere, Zeitebenen, die wunderbar miteinander verwoben sind, spannender Plot und sehr feministische Zwischentöne. Oha, da wird die Latte hoch gehängt!, denkt ihr, und ich sage euch, ich habe mich noch nicht mal warm getippt:
Im Januar 1978 wird die Studentin Pamela Schumacher nachts von einem Geräusch geweckt und findet zwei Freundinnen tot in ihren Betten, zwei weitere sind schwer verletzt. Weil sie den Täter sehen und identifizieren kann, wird sie in eine vier Jahrzehnte anhaltende Geschichte gezogen, die das ganze Land in Atem hält, denn die Opfer dieser Studentinnenverbindung sind nicht seine ersten und auch nicht die letzten. Pamela trifft auf Tina, die Jahre zuvor ihre beste Freundin verloren hat und gemeinsam kämpfen sie dafür, dass der Mann hinter Gitter kommt und die Presse faktenbasiert über die Geschehnisse schreibt.
Die fiktive Geschichte dieses Romans basiert auf den wahren Ereignissen rund um Amerikas wahrscheinlich bekanntesten Serienmörder, dessen Name nirgendwo im Buch genannt wird und ich es deshalb hier auch nicht tue. Der Plot zeigt nämlich vor allem auf, wie besessen und fasziniert Öffentlichkeit und Presse von Serienmördern sind, während den Opfern fast immer eine Mitschuld zuschoben wird. Als ein doch eigentlich „Bright Young Man“ wurde der Täter bei seiner Verurteilung vom Richter bezeichnet, das kann man sogar nachlesen oder sich in den Dokus vor Augen führen. Seine Opfer bekommen in diesem Roman – wenn auch stellvertretend, weil eben Fiktion – den nötigen und längst überfälligen Respekt.
“I’ve tried to make sense of how someone who didn’t stalk his victims in advance ended up going after the best and the brightest. And I think that’s it, the thing they all had in common
– a light that outshone his.”
Song: Dreams – Fleetwood Mac
Like a heartbeat, drives you mad
In the stillness of remembering what you had
And what you lost
And what you had
And what you lost
💔
Folge 10: Zeiten legen
Ihr ahnt es bereits, es geht auch in der Kolumne um Zeit, Timing und Fragen, die wir wahrscheinlich gar nicht hätten, wären wir nicht so darauf konditioniert, durchweg unsere Zukunft zu formen, und gleichzeitig nicht so darin verwurzelt, in der Vergangenheit herumzugraben. Ausgelöst wurden meine Gedanken dazu jedoch weniger von Jessica Knolls Roman, sondern von einer E-Mail, die mich zurück in vergangene Kapitel zieht.