Im Kontrollkabinett
Weihnachtsgeschenke: 4 Buchtipps + 1 | Paid: Im Kontrollkabinett – über Putzwahn, Kontrollverlust und die Echokammer des Schreckens
Uff.
Zu den letzten Wochen, aber auch, wenn ich mir vor Augen halte, wie dieses Jahr davon gerast ist: Uff zu den letzten 11 Monaten.
Bevor ich euch ein paar Buchtipps mitgebe, die sich sehr gut als Weihnachtsgeschenke eignen, will ich mich von Herzen für das wirklich überwältigende Feedback zu meinem Text vom 06. November bedanken. Ich habe alle Mails gelesen und es hat mich immens berührt, wie verstanden ihr euch gefühlt habt.
Buchtipps für Weihnachten …
… denn wer hat gerade überhaupt mentale Kapazität für irgendwas? Eben. Gern geschehen.
Die Schwarzgeherin von Regina Denk
für: Mama, Papa, Schwiegermutter, leseaffine Oma; für alle, die vor einer harten Geschichte nicht zurückschrecken und Lust haben, sich auf was Neues einzulassen
Tirol, Ende des 19. Jahrhunderts. Das entbehrungsreiche Leben in ihrem von Aufklärung und Fortschritt vergessenen Dorf hat die 18-jährige Theres hart werden lassen – aber auch mutig, stolz und stark. Als der mysteriöse Xaver im Tal auftaucht, verliebt sich Theres in den Fremden, den alle anderen bald für einen Wilddieb halten und eine Falle stellen, aus der dieser schwer verletzt entkommt. Außer sich vor Schmerz flüchtet die schwangere Theres in die Einsamkeit der Hochalpen.
Jahre später kann Maria, Theres’ Tochter, den Wunsch nach Selbstbestimmung nicht teilen. Sie will genau das, was ihre Mutter zurückgelassen hat, und bringt damit beide in tödliche Gefahr.
Theres ist eine zeitlose Heldin, deren kompromisslose Grenzüberschreitungen an historische Outlaws erinnern – aber das Beste an der Geschichte ist eben, dass diese Figur eine Frau ist.
Kleine Momente in der großen Stadt von Linda Rachel Sabiers
für Schwester, Mama und Oma; für alle, die gerne mehr lesen möchten, sich aber schwer tun, bei langen Geschichten am Ball zu bleiben
Die Autorin sammelt ganz besondere Momente: ein unfreiwillig komischer Wortwechsel unter Fremden, eine zarte Geste zwischen zwei Menschen, die sich schon lange kennen, ein pointierter Schlagabtausch unter Freundinnen. Jede ihrer Beobachtungen erzählt eine kleine Geschichte – mal rau, mal liebevoll, verzweifelt oder urkomisch. So vielfältig wie das Leben selbst.
Linda schreibt schon seit Jahren auf ihrem Instagram-Account über eben diese Alltagsbeobachtungen. Als ich das erste Mal auf ihr Sammelsurium an Herzerwärmungen und Kuriositäten gestoßen bin, war ich hin und weg. Der Star der Texte ist für mich Lindas Großmutter. Was für eine witzige, wortgewandte Persönlichkeit. Dieses Buch ist ein perfektes Geschenk, auch für einen selbst!
The God of the Woods von Liz Moore
für die beste Freundin und alle, die gerne auf Englisch lesen; und für alle, die sich von den Festlichkeiten davonstehlen und komplett abtauchen wollen
Ich habe diesen Roman schon im Chat rezensiert, aber er soll hier nochmal einen besonderen Platz bekommen, weil er so fantastisch ist.
1975 - In einem Sommercamp in den Wäldern NYs verschwindet ein Teenager. Der Familie der Vermissten gehört das Camp und Land, sie beschäftigt das halbe Dorf drumherum und als alle mit der Suche beginnen und die Polizei eintrifft, wird einer jungen Ermittlerin schnell klar: Über die Tatsache, dass Jahre zuvor der Bruder der Vermissten ebenfalls verschwand, spricht hier niemand.
Auf fast 500 Seiten spannt Liz Moore eine komplexe Story aus vielen Menschen, die sich auf einem Zeitstrahl bewegen, und nach und nach zu wichtigen Puzzleteilen werden, um all die Geheimnisse zu lüften.
Alternde Detectives, dunkle Wälder, Reiche hinter geschlossenen Türen, eine junge Frau, die die richtigen Fragen stellt, und ein See, der klar vor einem liegt. Für alle, die Serien wie True Detective und Mare of Easttown lieben! Und eben diesen unvergleichlichen Vibe amerikanischer Autor:innen, die sich zwischen Crime und Gesellschaftsroman bewegen.
Schlaflos von Sarah Moss, übersetzt von Nicole Seifert
für die Schwester mit Kleinkind; für alle, die zu viel gegessen haben und nicht schlafen können
Eine Insel im Westen Schottlands, ständige Stromausfälle und eine unsichere Telefonverbindung. Zwei Kinder, die die Nacht zum Tag machen und ein Ehemann, der einer heimischen Papageientaucherkolonie mehr Zeit widmet als seiner Familie: Unter diesen nicht gerade idealen Bedingungen versucht die Historikerin Anna Bennett, eine wissenschaftliche Arbeit zum Thema Kindheit im 18. Jahrhundert zu schreiben.
Als auch noch zwei rätselhafte Funde auf dem Grundstück Einblicke in die düstere Vergangenheit der Insel gewähren, gibt Anna beinahe auf. Doch dann verbindet sich ihr chaotischer Alltag auf unerwartete Weise mit ihrem Forschungsgegenstand.
Ich habe dieses Buch schon vor ein paar Jahren gelesen und denke immer noch daran zurück – so gut beschrieben fand ich das Dilemma der Protagonistin. Unerwartete Wendungen gibt es ebenfalls, die den Stoff spannend machen. Schlaflos ist Programm.
Schreiben am offenen Herzen von … mir
für alle, die über gesellschaftlich relevante, zwischenmenschliche Themen aus persönlicher Sicht lesen möchten; für alle, die gerne selbst schreiben (wollen)
Einige Leser:innen meiner Kolumne haben ein Jahresabo geschenkt bekommen. Scheint mir also eine gute Idee, diesen Substack-Newsletter zu verschenken?
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Folge 21: Im Kontrollkabinett
Als sich das US-Wahlergebnis abzeichnete, fing ich an zu putzen. Es war ein Mittwoch und ich hätte an meinem Manuskript arbeiten müssen, stattdessen schrubbte ich zuerst das Klo, um dann den Reinigungswahn auf die ganze Wohnung zu expandieren. Latent aggressiv zu putzen ist meine Art, mir Kontrolle zurückzuholen. Am nächsten Tag erzählte eine Freundin, dass sie genau das Gleiche macht, wenn ihr die Welt entgleitet. Da wurde ich hellhörig. Denn mir fiel ein, dass ich seit geraumer Zeit zwei Sorten von Reels gucke: